Das Landgericht Hamburg hatte am 01.03.2022 einen Angeklagten vom Vorwurf der mehrfachen Urkundenfälschung freigesprochen. Der Mann soll insgesamt 19 unrichtige Bescheinigungen über Corona-Impfungen ausgestellt haben und sich dafür bezahlten lassen. In selbst gefälschte Impfpässe teilweise auch in echte Impfpässe hat er angebliche Erst- und Zweitimpfungen gegen das Covid-19-Virus eingetragen. Dabei benutzte er den angeblichen Stempel eines Impfzentrums und fälschte die Unterschrift des vermeintlichen Impfarztes.
Vor dem Hintergrund der damals geltenden Zugangsbeschränkungen konnten die gefälschten Impf-Bescheinigungen dafür genutzt werden, gegenüber Dritten den Eindruck einer vollständigen Impfung des Impfpassinhabers zu erwecken und Einlass in Gastronomie zu erlangen oder sich in der Apotheke ein digitales Impfzertifikat beispielsweise für Reisen ausstellen zu lassen.
Gründe des Landgerichts Hamburg für den Freispruch
Das Landgericht Hamburg hielt dieses Verhalten aus Rechtsgründen für nicht strafbar. Es hat den Angeklagten insoweit freigesprochen. Das Landgericht war dabei der Ansicht, dass der Angeklagte sich nicht der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung des § 277 StGB wegen der Fälschung von Gesundeitszeugnissen strafbar gemacht habe. Die damalige Fassung Vorschrift habe vorausgesetzt, dass die Fälschung bei einer Behörde oder einer Versicherung vorgelegt werde. Die sei bei der Verwendung der falschen Impfpässe in der Gastronomie oder in Apotheken nicht gegeben, so das Landgericht Hamburg.
Der danach noch denkbaren Verurteilung wegen Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB habe nach der Meinung des Landgerichts entgegengestanden, dass § 277 StGB für Gesundheitszeugnisse, wie Impfpässe, eine abschließende Regelung enthalte. Der Rückgriff auf die allgemeinere Vorschrift des § 267 StGB sei damit nicht möglich.
Diesen Freispruch hat die Staatsanwaltschaft Hamburg mit dem Rechtsmittel der Revision beim Bundesgerichtshof angegriffen. Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Landgerichts mit Urteil vom 10.11.2022 (5 StR 283/22) beanstandet und den Freispruch aufgehoben.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Der Bundesgerichtshof stellt dazu fest, dass es sich bei der alten Fassung des § 277 StGB nicht um eine spezielle Vorschrift handelt, die den Täter der Fälschung von Gesundheitszeugnissen gegenüber dem einer „einfachen“ Urkundenfälschung privilegieren soll. Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass sich eine solche Privilegierung weder aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschriften zur Fälschung von Gesundheitszeugnissen und Urkundenfälschung ergebe und ebenso wenig aus der Gesetzesbegründung. Abschließend stellte er fest:
Erst recht entfaltet § 277 StGB a.F. keine „Sperrwirkung“ gegenüber der Urkundenfälschung (§ 267 StGB), wenn der Tatbestand der Fälschung von Gesundheitszeugnissen – so wie hier – nicht (vollständig) erfüllt ist.
BGH Pressemitteilung, Nr. 161/2022
Inzwischen gilt eine neue Fassung des § 277 StGB
Seit dem 24.11.2021 gilt § 277 StGB in einer geänderten Fassung, die lautet wie folgt:
§ 277 Unbefugtes Ausstellen von Gesundheitszeugnissen
(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr unter der ihm nicht zustehenden Bezeichnung als Arzt oder als eine andere approbierte Medizinalperson ein Zeugnis über seinen oder eines anderen Gesundheitszustand ausstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften dieses Abschnitts mit schwererer Strafe bedroht ist.
(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von unbefugtem Ausstellen von Gesundheitszeugnissen verbunden hat, Impfnachweise oder Testzertifikate betreffend übertragbare Krankheiten unbefugt ausstellt.