Bundesrat will Arztstrafrecht erweitern
Der Bundesrat hat am 05.07.2013 über eine Gesetzesinitiative der Länder Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz zur Änderung des Strafgesetzbuchs entschieden und dem Bundestag zugeleitet. Der Gesetzesentwurf zielt auf die Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen und soll sie unter Strafe stellen.
Die Initiative lässt sich auf einen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2012 (GSSt 2/11) zurückführen, in dem ausgesprochen wird, dass niedergelassene Vertragsärzte weder als Amtsträger im Sinne des § 11 Absatz 1 Nummer 2c StGB noch als Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen im Sinne des § 299 StGB anzusehen sind.
Damit hat sich der BGH in einer Diskussion, die lange Zeit in Literatur und Rechtsprechung geführt wurde, positioniert und entschieden, dass im Vertragsarztsystem Zuwendungen, die zur unlauteren Beeinflussung des Verordnungsverhaltens im Sinne einer wettbewerbsbezogenen Bevorzugung gefordert, angeboten und gewährt werden, weder den §§ 331 ff. StGB noch dem Tatbestand des § 299 StGB unterfallen.
Dies sei nicht hinnehmbar, weil eine Studie des European Healthcare Fraud and Corruption Networks (EHFCN) belegt, dass 5,6 % des in der EU für das Gesundheitswesen aufgewendeten Geldes (rund 56 Milliarden Euro) aufgrund von Fehlern, Betrug und Korruption in die falschen Taschen wandert und so verloren ist. Gemessen an diesem Maßstab, sei für die Ausgaben für das Gesundheitswesen in Deutschland betreffend die gesetzlichen Krankenkassen ein Schaden von 9,4 Milliarden zu befürchten. Für die Krankenversicherungen sei von einem Schaden von 1,5 Milliarden auszugehen.
Weil sich in berufs- und sozialrechtlichen Vorschriften sich keine Vorschriften fänden, die eine effektive Bekämpfung der Missstände im Gesundheitswesen ermöglichen, sei der Gesetzgeber gefordert, das Arztstrafrecht zu erweitern und das Strafgesetzbuch entsprechend zu ändern.
Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen
Dafür soll ein neuer Straftatbestand geschaffen werden, der als § 299a StGB wie folgt lauten soll:
§ 299a StGB Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen
(1) Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung dieses Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug, der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten oder bei der Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial
1. einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb bevorzuge oder
2. sich in sonstiger unlauterer Weise beeinflussen lasse,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Sinne des Absatzes 1 im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug, der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten oder bei der Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial
1. ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb bevorzuge oder
2. sich in sonstiger unlauterer Weise beeinflussen lasse.
Sollte diese Gesetzesänderung Eingang in das Strafgesetzbuch finden, wird es zu einer Zunahme von Strafverfahren gegen Ärzte und Mitarbeiter der Pharmaindustrie kommen. Damit Ermittlungsverfahren erfolgreich geführt werden können, ist im gleichen Gesetzesentwurf die Änderung des § 100a Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) vorgesehen. In § 100a Abs. 2 StPO findet sich eine Aufzählung solcher Straftaten, zu deren Ermittlungen ohne Wissen der Betroffenen deren Telekommunikation überwacht werden darf, also zum Beispiel der Telefonverkehr, Mobilfunkverkehr (auch SMS) und E-Mail-Verkehr. Ein Verstoß gegen den neuen § 299a StGB soll damit – wie schon die bestehenden Korruptionsdelikte – zu einer schweren Straftat im Sinne des § 100a StPO erklärt werden.
Sollten Sie Beratungsbedarf im Arztstrafrecht haben oder sich verteidigen lassen wollen, zögern Sie nicht, sich bei mir zu melden.