Zwischen den Strafsenaten des Bundesgerichtshof (BGH) besteht Uneinigkeit darüber, ob die Einziehung im subjektiven Verfahren (nämlich selbständig) angeordnet werden kann, wenn das Verfahren beispielsweise wegen Verjährung eingestellt wird oder ob dies dem objektiven Verfahren gemäß § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO vorbehalten bleibt.
Der 3. Strafsenat hält den Übergang vom subjektiven Verfahren ins objektive Verfahren für nicht notwendig (BGH 3 StR 474/19):
Die Einziehung des durch eine verjährte Straftat erlangten Wertes des Tatertrags nach § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB kann auch im subjektiven Verfahren angeordnet werden, wenn die Staatsanwaltschaft wegen der Erwerbstat Anklage erhoben, das Gericht das Hauptverfahren insoweit eröffnet und die Einstellung des Verfahrens erst im Urteil ausgesprochen hat (§ 260 Abs. 3 StPO); eines Übergangs in das objektive Verfahren sowie eines Antrags der Staatsanwaltschaft nach § 435 Abs. 1 S. 1 StPO und einer staatsanwaltschaftlichen Ermessensausübung im Sinne des § 435 Abs. 1 S. 2 StPO bedarf es in einem solchen Fall nicht.
Der 1., 4. und 5. Strafsenat entschieden diese Frage anders. Der 3. Strafsenat im Übrigen bisher auch, wollte nun aber seine Rechtsprechung ändern. Deshalb fragte der 3. Strafsenat gemäß § 132 Abs. 3 S. 1 und S. 3 GVG bei dem 1., 4. und 5. Strafsenat an, ob sie an ihrer Rechtsauffassung festhalten oder sich ihm in dieser Frage anschließen wollen. Der 5. Strafsenat schloss sich dem 3. Strafsenat an (BGH 5 ARs 28/21).
Der 1. Strafsenat will sich allerdings nicht anschließen, er hält den Übergang ins objektive Verfahren nach einem Antrag der Staatsanwaltschaft für notwendig (BGH 1 ARs 13/21). Er begründet dies unter anderem wie folgt:
In Fällen, in denen sich – nach Anklageerhebung – im durchgeführten subjektiven Verfahren herausstellt, dass die Erwerbstat verjährt ist, ist es ohne weiteres möglich, dass die Staatsanwaltschaft einen expliziten Antrag nach § 435 Abs. 1 StPO in der Hauptverhandlung anbringt, dass hinsichtlich der verjährten Erwerbstat eine Einziehung im selbständigen Verfahren erfolgen soll. Ein solches Prozedere gebietet insbesondere auch die Verfahrensfairness, damit der Prozessbeteiligte, der von einer Einziehungsentscheidung betroffen wäre, seine Rechtsverteidigung hierauf einstellen kann.
Praktibilitätserwägungen stehen einer demnach zu fordernden Antragsstellung seitens der Staatsanwaltschaft nicht entgegen. Denn diese allein ist bereits ausreichend, um den inhaltlichen Erfordernissen des § 435 Abs. 2 StPO zu genügen. Einer gesonderten schriftlichen Begründung des Antrags bedarf es mit Blick auf die bereits zum Hauptverfahren zugelassene Anklage nicht.
Nachdem der 1. Strafsenat seine Rechtsauffassung also bestätigt hat, wird der Große Senat für Strafsachen (§ 132 GVG) diese Frage entscheiden müssen.
Die Justizministerkonferenz hat sich vor dem Hintergrund der divergierenden Ansichten innerhalb der Strafsenate des BGH in ihrer Herbstkonferenz des vergangenen Jahres dieser Fragestellung unter der Überschrift „Optimierung des Rechts der Vermögensabschöpfung“ ebenfalls angenommen. Mit dieser Verschlagwortung des Themas wird deutlich, dass sie eine gesetzliche Klarstellung dieser Frage anstrebt. Folgerichtig bittet die Justizministerkonferenz:
den Bundesminister der Justiz für diese Fallkonstellationen um Vorlage eines gesetzlichen Regelungsvorschlages, der den Übergang vom subjektiven Verfahren in das objektive Einziehungsverfahren aus der Hauptverhandlung heraus erleichtert.
Dies liest sich so, als hielte die Justizministerkonferenz, wie der 1. Strafsenat, in den einschlägigen Konstellationen den Übergang vom subjektiven ins objektive Verfahren, ins selbständige Einziehungsverfahren für notwendig. Und dieser Übergang solle vereinfacht werden. Dies könnte dergestalt umgesetzt werden, dass in der angestrebten Neuregelung die Voraussetzung eines Antrags der Staatsanwaltschaft gemäß § 435 Abs. 1 StPO entfiele.
Vor dem Hintergrund des gewünschten Ergebnisses wäre es überlegenswert, diese Frage so zu lösen, wie es sich der 3. Strafsenat vorstellt und auf den Übergang vom subjektiven ins objektive Verfahren zu verzichten und eine antragslose, selbständige Einziehungsentscheidung im subjektiven Verfahren zu gestatten.